27.01.2024: Proteste gegen die AfD in Blankenburg und Quedlinburg

Informationen über verschiedene Demos sowie Recherchen zu Neonazis im Harz

27.01.2024: Proteste gegen die AfD in Blankenburg und Quedlinburg

In den letzten Jahren wirkte es immer wieder so, als gäbe es im Harz keine aktive Zivilbevölkerung, die sich an politischen Debatten beteiligt. Reichsbürger:innen und Neonazis maschierten wochenlang durch unterschiedliche Städte im Harz – oft ohne dass es überhaupt einen Gegenprotest gab. Umso interessanter ist, dass sich am 27.01.2024 knapp 1000 Menschen an Demonstrationen gegen rechts im Harz beteiligten. Ein Bericht über die Demonstrationen in Blankenburg und Quedlinburg.

Seit über 3 Jahren gibt es in vielen Orten des Harzes Demonstrationen von Reichsbürger:innen, Neonazis, Verschwörungsideolog:innen, Querdenker:innen oder AfD-Politiker:innen. Während es vor einigen Jahren – auch im Harz – als normal angesehen wurde, gegen Demokratiefeinde zu demonstrieren, wirkte die vermeintlich wachsame Zivilbevölkerung, spätestens seit dem Anfang der Coronaproteste, wie eingeschlafen. Während verschwörungsideologische Demonstrationen große Beliebtheit genossen, zählten Gegendemonstrationen immer eine maximal 2-stellige Anzahl an Teilnehmer:innen. Auch zivilgesellschaftliche Bestrebungen wie das „Bündnis Bunter Harz“ scheiterten trotz vielen Bündnispartner:innen an mangelnder Teilnahme. Den neuen ersten Stein für eine aktive Zivilbevölkerung setzten die Demonstrationen am Holocaust-Gedenktag in Blankenburg und Quedlinburg.

In Blankenburg organisierte das neu-gegründete Bündnis „buntes Blankenburg“, bestehend unter anderem aus der „evangelischen Kirchengemeinde Blankenburg“ und dem „gemeinnützigen Verein für Sozialeinrichtungen Blankenburg“ (GVS), eine Kundgebung um 11 Uhr auf dem Tummelplatz. Gefolgt sind dem Aufruf nach Behördenangaben circa 300 Menschen. Der Platz füllte sich an diesem Tag mit einer bunten Mischung – neben einigen jungen Antifaschist:innen folgten vor allem ältere Menschen dem Aufruf des Bündnisses. Auch die Veranstaltenden sorgten für Überraschung: Der Landrat Thomas Balcerowski (CDU) nahm ebenfalls an der Veranstaltung teil und sorge mit einer Rede für Input. „Nie wieder ist jetzt“, hallte es unter Applaus über den Platz.

Neben den Demonstrierenden fanden auch einige, teils bekannte Gesichter der verschwörungsideologischen Szene aus Blankenburg, den Weg zur Veranstaltung. So bildete sich am Rande der Demonstration eine Gruppe, die offensichtlich nicht mit den Inhalten und Forderungen der Kundgebung konform ging. Durch ausreichend Polizeipräsenz gab es aber – bis auf einige Pöbeleien – keine Zwischenfälle.

Auch bekannte Gesichter und Akteur:innen der lokalen verschwörungsideologischen Szene haben den Weg auf sich genommen. Auch bei Weda Elysia – einem rechtsextremen Siedlungsprojekt im Nachbarort Wienrode – waren Teile der Gruppe schon zu Besuch.
Neben der Gruppe fuhren auch mehrmals pöbelnde Autofahrer mit lautem Rechtsrock vorbei. Die dritte Runde endete in einer anlassbezogenen Verkehrskontrolle.

In einem scheinbar disparaten Verhältnis zur Bevölkerungszahl – mit knapp 1000 Einwohner:innen mehr in Blankenburg im Vergleich zu Quedlinburg – manifestierte sich in letzterer Stadt dennoch ein substantiell ausdrucksstärkerer und quantitativ umfassenderer Protest. Neben einer großen Kundgebung auf dem Marktplatz, meldeten lokale Antifaschist:innen eine Demo vom Quedlinburger Bahnhof an, um gemeinsam zur Kundgebung zu gelangen. Mit rund 30 Menschen demonstrierten die Antifaschist:innen durch die Stadt bis zum Marktplatz.

Mit Fahnen, Musik, Schildern und Banner zogen die Aktivist:innen durch Quedlinburg. Auf dem Transparent stehen die Worte „Make racists afraid! Gegen Nazis und Coronaleugner – für eine solidarische Gesellschaft“

Auf dem Marktplatz angekommen, wurden die Antifaschist:innen von mehreren hundert Demonstrierenden empfangen. Erneut fand eine Mischung, von konservativ-bürgerlich bis links – von jung bis alt, den Weg zur Kundgebung. So war schon vor dem offiziellen Beginn um 15 Uhr ein erheblicher Teil des Marktplatzes mit über 500 Demonstrierenden gefüllt. Kein Wunder: Für die Demonstration wurde auf unterschiedlichen Websites und in den sozialen Medien breit geworben.1 2 3

Trotz teils verschiedener politischer Ansichten demonstrierten an diesem Tag Antifaschist:innen mit Menschen aus dem eher bürgerlicheren Spektrum gemeinsam gegen den Rechtsruck in Deutschland.
Ungewohnte Bilder für Quedlinburg: Die letzte Demo gegen rechts in dieser Größe dürfte einige Jahre her sein.

Auf dem Marktplatz sorgten die Organisierenden für Input. Neben einigen Reden, darunter erneut eine von Thomas Balcerowski, gab es auch Livemusik einer lokalen Musikerin zum Mitsingen. Nach fast 2 Stunden Demonstration machten sich die meisten Teilnehmenden wieder auf den Heimweg.

Die Quedlinburger Demonstration wurde – analog zu Blankenburg – vorher in den sozialen Medien diskreditiert. Spekulationen über vermeintliche finanzielle Anreize für die Teilnehmenden wurden ebenso verbreitet wie konstruierte Vorwürfe einer dahinterstehenden kommunistischen Agenda. Die örtlichen Anhänger:innen der Reichsbürger:innen-Szene zeigten ebenfalls wenig Begeisterung für eine Demonstration gegen rechtsextreme Ideologien und beobachteten das Geschehen aus sicherer Distanz, ähnlich wie in Blankenburg. Neben den vertrauten Gesichtern der verschwörungsideologischen Szene hat es auch mindestens ein jüngerer offensichtlich rechter Akteure auf den Marktplatz geschafft. Dabei manifestierte sich das „Cafe Gelbke“ erneut als wiederholt aufgesuchter Treffpunkt und Ort des Verweilens für die Szenen.

„Anti-Antifa – Good night left side“ steht auf der Jacke des offensichtlich rechten Akteurs. Auch eine gewisse Symphatie zu Russland gehört dazu: Die Frau am Tisch hat eine Russland-Fahne auf dem Arm.
  1. https://www.demokrateam.org/demos/nie-wieder-ist-jetzt-aufstehen-fuer-unsere-demokratie/ ↩︎
  2. https://dib.de/demos-gegen-rechts-2024/ ↩︎
  3. https://www.instagram.com/p/C2b4IyZtkZu/ ↩︎

Tags: , , , ,