Weda Elysia – Rechtsextreme argumentieren gegen den Verfassungsschutz

Der Ort Wienrode scheint mit seinen knapp 800 Einwohner:innen zu den ruhigen Orten im Harz zu gehören. Trotzdem gerät das Dorf immer wieder in den Fokus der Medien und Politik – kein Wunder: 2014 haben sich völkische Siedler:innen der Anastasia Bewegung in dem Ort angesiedelt und 2018 den alten Dorfgasthof gekauft. Seitdem wurde er von der Gruppe (“Weda Elysia”) renoviert und zum Café ausgebaut. Während sich Weda Elysia anfangs eher unpolitisch und freundlich gab, bröckelte die Fassade durch unterschiedliche Vorkommnisse im Dorf.
Was sind völkische Siedler:innen?
„Völkische Siedlerinnen sind Rechtsextreme, die sich im ländlichen Raum niederlassen, um dort ihre Idealvorstellung der „Volksgemeinschaft“ im Kleinen umzusetzen. Abseits von staatlichen Strukturen versuchen sie hier, eigene Netzwerke aufzubauen und bereits bestehende Gefüge zu unterwandern. Ihre Strategie ist langfristig angelegt und zielt darauf ab, vor Ort eine Vormachtstellung und so politischen Einfluss zu erlangen. Sie zeigen sich als hilfsbereite Nachbar*innen und sorgende Eltern, um in ihrem
Umfeld akzeptiert zu werden und Vertrauen aufzubauen.“, erklärt Marius Hellwig, Referent für völkischen Rechtsextremismus, in einer Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung. 1
Seit Mitte 2023 können die völkischen Siedler:innen der Gruppe Weda Elysia offiziell als rechtsextrem bezeichnet werden. Die Vermutungen vieler Anwohner:innen aus Wienrode – Zentrum der völkischen Siedler:innen – hat der Verfassungsschutz damit bestätigt. Doch immer wieder versuchen sich die völkischen Siedler:innen, allen voran Anja Maria Schulz und Maik Schulz, von der Einschätzung der Behörden freizusprechen. So waren bei einer Informationsveranstaltung des Verfassungsschutzes in Blankenburg auch Weda Elysia Mitglieder zu Besuch und versuchten, sich gegen die Vorwürfe zu wehren.

Gegenüber dem MDR sagte der Vorsitzende des Vereins Weda Elysia Maik Meinhard Schulz an diesem Abend: „Wir wollen von Herzen einen Familienlandsitz aufbauen und das natürlich auch mit anderen teilen, aber wir zwingen das keinem auf. Wir möchten auch nicht politisch aktiv sein, aber wir möchten uns in das Dorf einbringen […].”2 Damit begründete Schulz auch die Kandidatur der Weda-Elysia-nahen Wählergemeinschaft “Schönes Wienrode” für den Ortschaftsrat. Doch warum wurde Weda Elysia als gesichert rechtsextrem eingestuft? Was bringen die völkischen Siedler:innen dem entgegen? Und was hat die russische “Anastasia-Buchreihe” damit zu tun?
Anlass für diesen Artikel ist ein von Weda Elysia veröffentlichter Flyer. Er wurde bei einer weiteren Veranstaltung des Verfassungsschutzes im Dorfgemeinschaftshaus Börnecke verteilt. “Wer oder was ist Weda Elysia – Was ist dran an den Vorwürfen – wir klären auf” steht auf der ersten Seite des Flyers. Den Flyer einmal aufgeklappt: “Wie erkennt man – laut dem Verfassungsschutz – Rechtsextremisten” lautet die Überschrift.

Der Strohmann der völkischen Siedler:innen
Als argumentative Grundlage für die völkischen Siedler:innen dient aber nicht der Verfassungsschutzbericht des Jahres 2022, in dem Weda Elysia explizit erwähnt und eingeschätzt wird. Stattdessen nennt Weda Elysia 7 Punkte, die vermeintlich von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) veröffentlicht wurden, um Rechtsextremist:innen zu erkennen. Eine vollständige Quellenangabe für diese vermeintlichen Richtlinien der bpb bleiben die rechtsextremen Siedler:innen schuldig. So bleibt fraglich, ob die bpb diese Punkte überhaupt veröffentlicht und als alleinige Merkmale für Rechtsextremismus dargestellt hat.
Dagegen spricht: in verschiedenen Artikeln verweist die bpb, dass Rechtsextremismus eben über “kein homogenes ideologisches Konzept” verfügt und es daher auch “keine einheitliche Definition” gibt.3 So wird die Frage, was Rechtsextremismus ist, “zum Teil sehr unterschiedlich beantwortet”.4
Was sagt Weda Elysia zu den (vermeintlichen) Vorwürfen?
Unbeeindruckt davon nennen die völkischen Siedler:innen allgemeine Merkmale des Rechtsextremismus und argumentieren dagegen. Neben aggressivem Nationalismus, Antipluralismus auf rassistischer Ebene, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Militarismus zählen auch Geschichtsrevisionismus und eine “ständige Diffamierung der demokratischen Institutionen”, zu den Punkten, die laut den völkischen Siedler:innen nicht auf ihren Verein Weda Elysia zutreffen. Ein „FALSCH“ steht über jedem der Punkte. Darunter immer eine kleine Stellungnahme des Vereins.

Statt Nationalismus pflege der Verein “ein gesundes Verhältnis zu unserer deutschen Identität”. Dem Wunsch nach einer “Volksgemeinschaft auf “rassischer” Grundlage” wird entgegengebracht, dass eine Gesellschaft nur dann wirklich funktioniere, “wenn sie auf Grundlage gemeinsamer Werte und ähnlicher […] Lebensauffassung fußt.” Der Wunsch nach einem Umfeld mit ähnlicher Mentalität, Kultur und Sprache sei ein “natürliches, ur-menschliches Bedürfnis” und könne damit weder etwas mit Fremdenfeindlichkeit, noch mit Antisemitismus, zu tun haben. Zudem würden Neonazis eine “verschwindende Minderheit in der deutschen Gesellschaft” darstellen und seien nicht das Gleiche wie die – nach eigenen Angaben – “rechtskonservative Weltanschauung” von Weda Elysia. Auf der Rückseite findet sich, neben Verlinkungen auf die eigene Website, um sich “selbst [zu] informieren”, noch eine Schlussfolgerung. Darin wird von “echten – linken Extremisten, wie die Antifa” gesprochen, die gemeinsam mit “Medien-und Politik-Sympathisanten und Schein-Demokraten” die Vorwürfe nutzen würden, um Weda Elysia zu diffamieren.
Die Ideologie hinter Weda Elysia
Neben den Vorwürfen des Verfassungsschutzes hat Weda Elysia auch vergessen, ihre ideologische Grundlage zu nennen. So nimmt Weda Elysia mit dem Verkauf der Anastasia-Buchreihe über ihren Onlineshop nicht nur finanzielle Mittel ein5 – Die Buchreihe des russischen Autoren Wladimir Megre dient, auch nach eigenen Angaben, als fundamentale Grundlage des Vereins.6 Und an genau der Stelle beginnt die Einschätzung vieler Rechtsextremismusexpert:innen und des Verfassungsschutzes. Die Buchreihe ist laut Expert:innen von Antisemitismus, Verschwörungsideologien und Esoterik geprägt.7 8 9
Was sind das für Bücher?
Die zwischen 1996 und 2010 entstandene Anastasia-Buchreihe des russischen Autoren Wladimir Megre handelt von der jungen Frau Anastasia, die alleine im Wald lebt und übernatürliche Kräfte hat. Laut der Buchreihe besäße jeder Mensch solche übernatürlichen Kräfte, wenn die Lebensführung nach dem Vorbild von Anastasia erfolge.10 Laut Expert:innen stellt Anastasia einen Art spirituellen Gegenpol zur damaligen Staatsideologie dar.11 Die Buchreihe ist dabei voll mit Antisemitismus und Verschwörungsmythen. So formuliert Megre unter anderem „die krude These, Jüdinnen und Juden hätten sich selbst geopfert, um die Machtergreifung der Welt voranzutreiben“.12 Als Beispiel nennt Megre die Shoah und „spricht Hitler die Verantwortung für den Genozid ab“.13 Zudem würden Pogrome an Jüdinnen und Juden in „“gewissen Kreisen“ (Megre 2005: 136f.) […] große Vorteile bringen“.14 Die Autorin Lea Lochau beschreibt es im Text „Anastasia: Nährboden für rechte Ideologie“ als Mischung aus „Antisemitismus, völkischem Nationalismus, Antifeminismus, Gender als Feindbild und einer Verschwörungsmentalität“.15
Was macht Weda Elysia rechtsextrem?
Laut Verfassungsschutz pflegt(e) Weda Elysia Kontakte zur Artgemeinschaft und Mitglieder sollen bei den sogenannten „Gemeinschaftstagen“ in Thüringen gewesen sein. Zudem fungiere die Artgemeinschaft „als wichtige Schnittstelle der deutschen Neonaziszene.“ Die Teilnahme an den Treffen der neonazistischen, rassistischen und demokratiefeindlichen Artgemeinschaft wurde seitens Weda Elysia bereits bestätigt. Um in ihrer Einschätzung aus dem „rechts“ ein „rechtsextrem“ zu machen, bezieht sich der Geheimdienst, neben den neonazistischen Kontakten der Gruppe, der Anastasia-Buchreihe und weiteren Punkten, auch auf einen – von Weda Elysia veröffentlichten – Imagefilm. Der 2020 veröffentlichte Kurzfilm mit dem Namen „Herzkraft“ beinhaltet laut Verfassungsschutz ein „derart simplifizierendes Schwarz-weiß-Denken“, was ein „typisches Merkmal extremistischer Argumentationsmuster“ sei.16
Doch nicht nur in Thüringen suchte der Verein Weda Elysia die Nähe zu rechtsextremen Akteur:innen. Immer wieder tauchten bei Veranstaltungen von Weda Elysia bekannte Neonazis und Reichsbürger:innen auf. So fungierte das Café „Haus Lindenquell“ in Wienrode immer wieder als Treffpunkt für jegliche Demokratiefeinde. Eine solche Querfront-Allianz ist kein Einzelfall, in vielen Städten gründeten und gründen sich Allianzen von Neonazis bis Esoteriker:innen durch gemeinsame Feindbilder.17

Wie prompt und offensiv reagiert wird, wenn Anwohner:innen nicht mit der Weltanschauung der völkischen Siedler:innen konform gehen, zeigte sich bereits 2019: einen Tag vor einer Veranstaltung von Weda Elysia wurden Nachts bei mehreren Autos in Wienrode die Reifen zerstochen.18 Teile der Betroffenden äußerten vorher im Dorf, dass sie nicht mit der Ideologie der rechtsextremen Siedler:innen konform gehen. Bis heute konnte kein:e Täter:in ermittelt werden, nach Informationen von Demos-im-Harz.de wird jedoch vermutet, dass es sich beim Täter um eine Person aus dem Umfeld von Weda Elysia gehandelt hat.19
Wenn die völkischen Siedler:innen nicht gerade am Haus Lindenquell renovierten oder Verfassungsschutzveranstaltungen infiltrierten, waren sie – vor allem seit 2020 – auch gerne auf verschwörungsideologischen Demonstrationen unterwegs. So tanzten mehrere Weda Elysia Siedler:innen im August 2020, am Tag des „Sturms auf den Reichstag“, mit dem rechtsextremen Holocaustleugner Nikolai Nerling.20 Nerling, der sich selbst als „Volkslehrer“ bezeichnet, wurde nur ein Jahr zuvor wegen Volksverhetzung verurteilt, da er in der KZ-Gedenkstätte Dachau den Holocaust geleugnet hat.21 Auch mit Ursula Haverbeck, einer rechtsextremen Holocaustleugnerin, die aufgrund dessen bereits mehrmals inhaftiert wurde, scheinen die völkischen Siedler:innen Gemeinsamkeiten zu haben: So wurde laut Deutschlandfunk.de im Telegram-Kanal von Weda Elysia kurzzeitig ein Verein von Ursula Haverbeck beworben. Der Post wurde später entfernt.22
Vorurteile und Falschaussagen im Schaukasten
In anderen Veröffentlichungen von Weda Elysia wird die eigene Ideologie etwas anders formuliert: In einem Aushang, der im Schaukasten vor dem „Haus Lindenquell“ hing, wurde erklärt, wer das Dorf aus Sicht von Weda Elysia spalte und Gerüchte verbreite.

Dabei wird von der Antifa als „linksextremistischer Vereinigung“ gesprochen zu der die Innenministerin eine bewiesene Affinität habe. Zudem dürfe die „Linksradikale Antifa […] ganze Straßenzüge in Schutt und Asche legen und Messerstechereien und Vergewaltigungen von Migranten werden verharmlost!“. Dazu sei das Vorgehen des Bürgermeisters Heiko Breithaupt gegenüber dem Verein „grundgesetzwidriges Verhalten“. Neben diesen, faktisch falschen Aussagen, äußerten sich die Rechtsextremen in dem Aushang auch zum Kontakt zur „Artgemeinschaft“.
Die Artgemeinschaft wurde im September 2023 verboten. Bundesinnenministerin Nancy Faser sagte dazu: „Mit der Artgemeinschaft haben wir eine sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung verboten. Das ist ein weiterer harter Schlag […] gegen die geistigen Brandstifter, die bis heute NS-Ideologien verbreiten. Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen.“23 Die Teilnahme an den Treffen der neonazistischen, rassistischen und demokratiefeindlichen Artgemeinschaft wird von Weda Elysia in dem Aushang bestätigt. Ein klares Bekenntnis zu einer verbotenen rechtsextremen und demokratiefeindlichen Vereinigung seitens Weda Elysia.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die völkischen Siedler:innen von Weda Elysia genau jene Praktiken anwenden, die von beinahe allen Expert:innen im Bereich der Rechtsextremismusforschung eindringlich herausgestellt werden. Sie etablieren ihre Siedlungen gezielt in ländlichen und strukturschwachen Gebieten, erwerben Grundstücke, präsentieren sich als freundliche Nachbar:innen und streben allmählich nach politischer Einflussnahme. Im Buch „Völkische Landnahme“ von Andrea Röpke und Andreas Speit wird diese Vorgehensweise treffend als „nationale Graswurzelarbeit“ bezeichnet.24 Im Falle von Gegenstimmen transformiert sich die ansonsten beschauliche Dorfatmosphäre in ein kontinuierliches Szenario der Bedrohung, bei dem auch vor Straftaten nicht zurückgeschreckt wird. Kein Wunder, dass es jeglichen Journalist:innen in den letzten Jahren schwer fiel, für Berichte über Weda Elysia, überhaupt Interviewpartner:innen aus dem Dorf zu finden, wenn sich die Folgen einer Positionierung gegen Weda Elysia doch schon längst im Dorf rumgesprochen haben.
- https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2021/02/Land-unter-Internet.pdf ↩︎
- https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/harz/weda-elysia-rechtsextrem-wahl-wienrode-100.html ↩︎
- https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/41312/wann-spricht-man-von-rechtsextremismus-rechtsradikalismus-oder-neonazismus/
↩︎ - https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/542331/recht-s-extrem-dimensionen-einstellungen-akteure-und-strategien-im-themenfeld-rechtsextremismus/
↩︎ - https://marktplatz.lindenquell.de/27-anastasia ↩︎
- https://www.weda-elysia.de/blog/artikel/unsere-neue-website
↩︎ - https://www.nf-farn.de/system/files/documents/rosga_anastasia-bewegung.pdf ↩︎
- https://www.budrich-journals.de/index.php/zrex/article/view/41122 ↩︎
- https://ixtheo.de/Record/1648991122 ↩︎
- https://www.infosekta.ch/media/pdf/Anastasia-Bewegung_10112016__.pdf ↩︎
- https://doi.org/10.3224/zrex.v2i2.08 ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Jg. 2, Heft 2/2022, 313–327 ↩︎
- (Im Buch: Megre 2003a: 172f.) & https://doi.org/10.3224/zrex.v2i2.08 ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Jg. 2, Heft 2/2022, S. 322 f. ↩︎
- (Im Buch: Megre 2003a, 173) & s. Nr. 12. ↩︎
- https://doi.org/10.3224/zrex.v2i2.08 ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Jg. 2, Heft 2/2022, S. 323 f. ↩︎
- https://doi.org/10.3224/zrex.v2i2.08 ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Jg. 2, Heft 2/2022, S. 324 ↩︎
- https://mi.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MI/MI/3._Themen/Verfassungsschutz/Referat_44/VSB_2022_Endfassung.pdf ↩︎
- https://doi.org/10.3224/zrex.v2i2.08 ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Jg. 2, Heft 2/2022, 313–327 ↩︎
- https://www.volksstimme.de/lokal/wernigerode/unbekannte-zerstechen-autoreifen-1021649 ↩︎
- eigene Recherche in Wienrode ↩︎
- https://www.belltower.news/weda-elysia-voelkische-siedler-im-harz-bringen-ein-dorf-zum-schweigen-145997/ ↩︎
- https://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/muenchen-dachau-prozess-volkslehrer-nerling-urteil-1.5131712 ↩︎
- https://www.deutschlandfunk.de/voelkische-siedlungen-rechtsextrem-100.html ↩︎
- https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/09/verbot-ag.html ↩︎
- https://www.aufbau-verlage.de/ch-links-verlag/volkische-landnahme/978-3-86153-986-5 ↩︎